Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Freitag, 26. Juni 2009

Proteste im Iran: Konfliktanalyse

Bevor ich mit meiner Analyse beginne, möchte ich zwei Dinge vorausschicken: die Betrachtung erfolgt aus der Perspektive eines Menschen, der in Deutschland aufgewachsen ist. Und - die Quellen, auf die ich mich beziehe, sind öffentliche Medien und das Internet.
Spätestens seit der Forderung, über die Anführer der Protestbewegung die Todesstrafe zu verhängen ist nicht mehr zu übersehen, dass einige Leute im Iran die Dinge aus einer ganz anderen Perspektive betrachten.

Worum geht es eigentlich?

Zunächst einmal scheint es um die Wahl des Präsidenten Ahmadineschdad am 12. Juni 2009 zu gehen, der offiziell 62,6 Prozent der Stimmen bekam. Der unterlegene Gegenkandidat Mussawi erhob Einspruch - die Wahl sei manipuliert.
Am Tag nach der Wahl kam es bereits zu gewalttätigen Ausschreitungen - die Behörden in Teheran erlassen ein Demonstrationsverbot.

14.Juni 2009
International kommen Zweifel am Wahlergebnis auf.
US-Außenministerin Hillary Clinton will den Vorwürfen des Wahlbetrugs, vermeidet ebenso wie Präsident Obama eine offizielle Anerkennung der Wahl. Die EU äußert sich besorgt über die "angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl". Der israelische Außenminister Liebermann problematisiert das Atomprogramm im Iran und wirft dem Staat Iran die Unterstützung der Hisbollah und der Hamas vor.
Der deutsche Bundesaußenminister Steinmeier schaut "mit Sorgen in den Iran" und fordert zur Aufklärung der Wahlhintergründe auf. Peter Mezger berichtet über die Arbeitsbehinderungen, die er ebenso wie sein Kollege vom ZDF erfährt. Mussawi habe beim Wächterrat eine Annulierung der Wahl beantragt und gleichzeitig eine friedliche Großdemonstration genehmigt bekommen.

15. Juni 2009
Korrespondenten im Iran werden behindert - Berichte über Proteste und Unruhen sind verboten. Bundesaußenminister Steinmeier protestiert dagegen und bestellte den iranischen Botschafter ein.

20. Juni 2009
Neda Agha-Soltan stirbt während einer Demonstration gegen die Wahlfälschung in Teheran auf offener Straße durch einen Schuss in den Hinterkopf.

22. Juni 2009
Demonstranten in Teheran fordern die Neuauszählung der Wahl.
Bemerkungen des Wächterrats, es seien einige Millionen Stimmen zuviel gezählt worden, werden zurückgezogen. Neda wird zum Symbol des Widerstands.

23. Juni 2009
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert ein Ende der Gewalt gegen Oppositionelle im Iran. Die Regierung in Teheran weist die Forderung zurück - der Generalsekretär solle sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Iran einmischen.

24. Juni 2009
Barack Obama verurteilt die Gewalt im Iran - interessant ist dabei der Kommentar von Hanni Hüsch aus Washington. Obama machte deutlich, dass er die staatliche Souveränität des Iran respektiere - und verzichtete auf die Forderung, die Stimmen müssten neu ausgezählt werden.
Mussawi fordert ein unabhängiges Kommitee zur Prüfung der Präsidentenwahl.

25. Juni 2009
Mussawi kündigt weitere Proteste an. Die Arabischen Staaten verhalten sich Ahmadineschdad gegenüber skeptisch: er habe sein eigenes Land im Innern gespalten. So steht es in der Presse, die Politiker halten sich zurück.
Von 15 Groß-Ajatollahs stellen sich vier hinter Mussawi - nur der Ajatollah Chamenei steht als geistlicher Führer hinter Ahmadineschdad.
Bundeskanzlerin Merkel nimmt auf der Islamkonferenz Stellung: Deutschland stehe auf der Seite derer, die friedliche Demonstrationen wollten. Wenn es bei Wahlen Unklarheiten gebe, sei es wichtig, die Wahl zu überprüfen.
Ahmanideschdad fordert Obama auf, sein Bedauern über die Einmischung in die Angelegenheiten des Iran auszudrücken - "so, dass das iranische Volk davon erfährt".

26. Juni 2009
Zwei Wochen nach der Wahl bestätigt der Wächterrat das Wahlergebnis. Gleichzeitig heißt es in der Tagesschau, eine freie Berichtserstattung über die Demonstrationen sei nicht mehr möglich.
Sondergerichte werden im Iran eingerichtet - die Justiz droht mit "examplarischer Härte gegen Demonstranten"

Soweit die Zusammenfassung der Ereignisse, weitere Einzelheiten und Hintergründe finden sich auf den Informationsportalen der Nachrichtensender. Dass an der Präsidentenwahl vom 12. Juni salopp gesagt "etwas faul" ist, daran zweifelt wohl niemand. Stellungnahmen aus verschiedenen Ländern zeigen Skepsis, Vertreter westlicher Demokratien nehmen mehr oder weniger deutlich Stellung gegen die gewalttätige Vorgehensweise gegen Demonstranten. Hier geht es nicht einfach um eine Wahl, hier geht es um Grundrechte - es bedeutet aber auch, dass "unsere" Vorstellung von Demokratie auf ein Land projiziert wird, das anders organisiert ist und anderen Prinzipien folgt. Noch jedenfalls.
Der US-Präsident wurde kritisiert, er sei nicht deutlich genug - er müsse Stellung beziehen, was er schließlich auch tat. Rational wird seine Zurückhaltung aber aus einer diplomatischen Perspektive, die das Gespräch als Möglichkeit im Auge behält. Nach dem der (offensichtlich aus unserer Sicht zu Unrecht noch amtierende) Präsident Ahmanideschdad Obama kritisiert und zu einer Entschuldigung aufgefordert hat, ist die Option, eine neutrale Vermittlerrolle übernehmen zu können, wohl verloren gegangen. Wahrscheinlich ordnet Ahaminedeschdad Obama, die UN und Europa längst im Lager seiner Gegner ein. Der schwierige Punkt (auf weltpolitischer Ebene) ist die Frage der Souveränität. In den Augen der Weltöffentlichkeit haben wir eine Scheindemokratie vor uns, die ein autoritäres System kaschieren soll, mit ihrem Umgang und ihrer Haltung zu Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Wahlrecht, freier Meinungsäußerung, kurz: den Grundrechten und Menschenrechten alles andere als glaubwürdig ist.

Es gibt eine zentrale Instanz, die die Übertragung unserer Vorstellungen auf den Iran fragwürdig erscheinen lässt: den Wächterrat. Wenn man sich die Machtposition des geistlichen Führers vor Augen hält, der Vertreter ernennen kann, den Chef der iranischen Justiz beruft und damit ein Gremium kontrolliert, das Beschlüsse des Parlaments zu Fall bringen kann - dann bezeichnet der Begriff Theokratie präziser als alles andere den Kern des Konflikts. Es geht (so betrachtet) nicht einfach um eine Wahl, es geht um die Grundlagen der iranischen Verfassung. Die Demonstrationen zeigen den Willen des Volkes nach "mehr Demokratie" - und die Angst vor der Gewalt, die durch die Miliz ausgeübt wird. Letzten Endes aber geht es um den drohenden Machtverlust des Islam, genauer seiner religiösen Vertreter, die in sich bereits gespalten sind. Ob sich die Missachtung des Volkswillens und der Versuch, einen Wunschpräsidenten des obersten religiösen Führers mit Gewalt an der Macht zu halten, mit dem Islam vereinbaren lässt, das mögen bitte die Iraner selbst entscheiden. Zumindest scheinen einige Ajatollahs damit bereits Probleme zu haben.
Die Frage ist, wie sich andere Länder dem Iran gegenüber verhalten sollten. Keine Frage: Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren, Gewalt zu verurteilen und die Presse- und Berichtsfreiheit einzufordern, darüber besteht wohl ein sehr breiter Konsens. Es wird zu Recht von führenden Politikern erwartet, dass sie hier Stellung beziehen. Das Kernproblem betrifft aber einen Staat, der eben nicht konsequent nach den Prinzipien westlicher Demokratien organisiert ist. Souveränität bei all dem zu respektieren bedeutet konkret: die Menschen im Iran müssen ihren eigenen Weg finden. Es wird nicht leicht sein, sich aus der Theokratie zu lösen - freie und gerechte Wahlen wird es erst wirklich geben können, wenn die Macht des Wächterrats gebrochen ist. Nachdem die Glaubwürdigkeit bereits schwer gelitten hat (und ich glaube, das ist auch aus der Sicht der Iraner eine Tatsache), wird auch die Institution als solche früher oder später fallen. Der Prozess selbst aber ist eine interne Angelegenheit - die Bewegung muss aus dem Iran selbst kommen. Wir, die wir in anderen Verfassungen leben, mit Selbstverständlichkeiten, die im Iran nicht gelten, sollten uns hier zurückhalten.
Insgesamt also neige ich zur Auffassung von Bahman Nimurand. Früher oder später wird jeder noch so autoritär und dogmatische Führer erkennen müssen, dass man vielleicht im eigenen Land Rechte einschränken und Menschen das Wort verbieten, unter Zwang regieren kann. Aber das Internet ist Realität. Was auch immer im Namen Allahs an Unrecht getan wird - die ganze Welt erfährt davon. Die Welt ist ein Dorf.

1 Kommentar:

  1. - Gewalttätige Demonstrationen sind hierzulande auch verboten. Warum wird es dem Iran zum Vorwurf?

    - Was der Westen von Wahlfälschung hält, dürfte seit der Wahl Bushs und dem Fake in Afghanistan klar sein, ergo: Selbst wenn es zu einer Fälschung kam, läufts im IRAN so wie bei uns, kein Grund zur Aufregung also.

    - Korrespondenten werden in jedem Lande behindert, wenn ein Konflikt im Interesse der Nationalen Sicherheit ist. Es ist seit den Erkenntnissen der Kriegsberichterstattung über Vietnam heute klar, daß Berichte nur noch über die Propagandamaschinerie eines Staates herausgegeben werden. Dazu führe ich nur embedded Journalisten an, die auch nur vorgefertigtes Material der Militärs! erhalten. Natürlich sind im Westen alle Militärs rein zur Ehrlichkeit verpflichtet, oder?

    - Ein Kopfschuss während er Demonstation... Schlimm, muss eigentlich untersucht werden. Wieviele Menschen sind denn schon in den USA durch Gewalteinwirkung mit Tazern gestorben? Also wenn dort schon 13Jährige Mädchen getazert werden, Studenten die ihren Ausweis für die Bibliothek verlegt haben oder schwarze Epileptiker statt ihrer Pillen oder einen Arztt zu erhalten, zu Tode getazert werden?
    Jedes Land hat das Problem von Polizeibrutalität, Streß im Einsatz Irrtum etc. Das ist nichts besonderes, nur weil es im IRAN passiert.

    - Demonstranten fordern Neuwahlen ... Das hat man bei Bush auch, aber da wurde einfach solange gezählt bis keiner mehr zählen wollte. Und wenn in der EU eine Abstimmung nicht so läuft wie sie soll, dann wird solange abgestimmt bis sie passt ... Also was soll das Doppelmoralgedöhnse? Keine Opposition hat automatisch Recht eine Neuwahl zu fordern, weil sie Vorwürfe erhebt, die sie nicht beweisen kann und nicht bewiesen hat.

    - Der Generalsekträter Ban Ki Moon fordert den Staat Iran auf, Gewalt zu beenden, die nicht der Staat gestartet hat, sondern die Opposition? Heute wissen wir auch das diese Opposition massiv durch israelisch-westliche Propaganda befeuert wurde. Insbesondere die Schahflüchtlinge malen ein Bild von ihrem Land, das der Realität nicht entspricht. Sie müssen sich das noch mal überlegen: Ehemalige Staatsangehörige und Staatsträger/diener eines Diktatorischen Systems mokieren sich über das mehr oder weniger Demokratische System im Iran?

    - Obama soll sein eigens Land regieren und die Kriegsverbrechen der USA beenden. Da hat er genug zu tun.

    - Mossawi

    - blabla

    ach keine Lust mehr die Doppelmoral bloßzustellen. Irgendwie ist das Sinnlos. Die Menschen werden immer ihre Feindbilder suchen und das idiotische Fußvolk immer mitmarschieren, weil es sich blenden läßt von den Mächtigen und denen, in deren Interesse der Marsch ist.
    Am Ende liegt es in uns Selbst begraben zu erkennen, das uns Menschen immer mehr verbindet als trennt.
    Aber zu sehen, daß der Gegner genauso ist wie wir, das wäre für die meisten Menschen ein Affront, ginge doch ihr wohlgepflegtes Feindbild unter, das sie so aufrecht stehen ließ.

    Heinzi

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