Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Rollensegmente

"Soziale Rollen sind - im kommunikativen Vollzug - Sprechrollen" (SW, S.71)
"Erziehung zur Gesprächsfähigkeit heißt folglich auch: Erziehung zur Sprechrollendifferenzierung" (SE, S.33)
Rollensegmente - was ist das eigentlich? Ausgangspunkt ist zunächst der Gedanke, dass wir alle im sozialen Geschehen Rollen "spielen" oder "haben". Ein Grundgedanke dabei: es spielt eine Rolle, welche Rolle ich spiele... Gelegentlich ist das Bewusstsein der je eigenen Rolle bzw. die Frage, wer in welchem Zusammenhang welche Rolle spielt, recht hilfreich - auch, wenn es darum geht, herauszufinden, warum Konflikte entstehen und was da nun eigentlich "los ist". Mit dem Begriff der Rollensegmente wird so manches aber noch präziser - manche Konflikte lassen sich am einfachsten mit dem Begriff der Rollensegmentverschiebung beschreiben.
Zur Erläuterung möchte ich zunächst ein Beispiel erzählen, eine wahre Geschichte... sie wiederholt sich immer wieder und so manche und mancher wird davon ein Liedchen singen können. Es geht dabei um zwei Brüder, die etwas gemeinsam hatten. Den Vater zum Beispiel, aber noch mehr, oder: noch schlimmer: der eigene Vater war auch Lehrer in der eigenen Schule. Und dieser Umstand brachte so manches Problem mit sich... Manchmal ging es den beiden wirklich auf den Geist, den eigenen Lehrer auch zuhause um sich zu haben. Offensichtlich fiel es beiden Seiten, also allen dreien, gelegentlich schwer, zwischen den Rollen klar zu trennen. Der Sohn begegnete dem Vater eben auch als Schüler seinem Lehrer. Und der Vater als Lehrer wollte sich dem Vorwurf entziehen, den eigenen Sohn als Schüler womöglich bevorzugt zu behandeln - und war deshalb zu den eigenen Söhnen besonders streng.
Genauer betrachtet gab es aber noch weitere Segmente: auf dem Pausenhof konnte der Schüler seinem Lehrer im Rollensegment "Vertreter der Institution Schule" begegnen. Dort gab es zwar nicht unbedigt den Druck, aufmerksam zuzuhören (schliesslich war ja Pause), aber unbedingt den Anspruch, sich "anständig zu verhalten". Und dabei kann es aus der Lehrerperspektive durchaus zu einer schwierigen Frage kommen: behandle ich diesen Schüler jetzt als Schüler an dieser Schule, als Schüler in meiner Klasse oder als meinen Sohn, der er nunmal auch noch ist?
Etwas peinlich wurde die Angelegenheit auf einer Klassenfahrt nach Frankreich. Nach dem Besuch in einem Museum wurde der ältere Sohn gefragt, wer denn der Herr gewesen sei, der so schlecht Französisch gesprochen habe... Nun, das war unser Lehrer... Und welches Fach er unterrichte? Französisch...
Sollte er sich nun als Schüler für seinen Lehrer oder als Sohn für seinen Vater schämen?
Es gibt noch mehr Beispiele für verwickelte Situationen, in denen sich Rollensegmente überlagern oder miteinander in Konflikt geraten können. Im Berufsleben treten solche Schwierigkeiten gelegentlich durch "Sonderrollen" auf - sei als Sonderbeauftragte für Sicherheit, Hygiene, Qualitätsmanagement usw. oder als Mitarbeitervertreter bzw. Betriebsräte. Manche dieser Rollen machen ohne entsprechende Weisungsbefugnisse keinen Sinn - das kann aber bedeuten, dass der Sicherheitsbeauftragte, der ansonsten als Arbeitnehmer gegenüber seinen Vorgesetzten weisungsgebunden ist, im Einzelfall auch Möglichkeiten haben muss, spezifische Hinweise und auch Anweisungen zu geben. Dass sich dabei Rollen überlagern und Konflikte entstehen können über die Frage, wer nun wem etwas zu sagen hat, ergibt sich von selbst - dort kann es eine große Hilfe sein, deutlich zu machen, wer in welcher Rolle (bzw. welchem Rollensegment) zu wem in welcher Rolle (bzw. in welchem Rollensegment) spricht. Ähnliche Probleme treten auch in Familienbetrieben auf - wenn die eigenen Kinder Arbeitnehmer sind, wird der Arbeitgeber eher Leistung abverlangen, während der Vater eher das Wohlergehen der Kinder im Sinn hat - und im günstigen Fall verständnisvoller reagiert. Das muss aber nicht so sein - und es hängt eben viel davon ab, ob die Rollen und Rollensegmente klar voneinander getrennt sind, ob die Überlagerungen und Verschiebungen als solche überhaupt bewusst werden und in ihrer Problematik deutlich werden.
Segmentverschiebungen treten auch auf, wenn die Generationsgrenzen verwischt werden - da wird der älteste Sohn möglicherweise zum Ersatz-Vater für die Geschwister und Ersatz-Partner für die Mutter, ohne zu begreifen, welche Überforderung damit verbunden ist. Vielleicht wird die Tochter zum Kummerkasten für den alleinerziehenden Vater und damit in eine Rolle gedrängt, die sie nicht ausfüllen, der sie nicht gerecht werden kann. Rollen in der Familie zeigen auch deutlich, dass es manche Rollen gibt, aus denen man nicht "aussteigen" kann - Kinder bleiben immer die Kinder ihrer Eltern, egal wie alt sie sind. Eltern können enorme Probleme damit haben, sich von den eigenen Kindern pflegen zu lassen, weil es nun so gar nicht zum Modell passt, dass sich doch eigentlich die Eltern um die Kinder kümmern sollten und nicht umgekehrt... Selbst dann, wenn die Kinder hochqualifiziert sind - das Verhältnis "Fachmann - Laie" wird durch die Überlagerung mit familiären Rollen schnell zum Problem.
Systemisch betrachtet sind überlagerte Rollen grundsätzlich problematisch - Grund genug also, in Konfliktsituationen auch die Rollen genauer unter die Lupe zu nehmen, die dabei möglicherweise eine entscheidende Rolle spielen...

2 Kommentare:

  1. Das ist gar nicht so einfachj, die einzelnen Rollen die man gibt, zu trennen. Ist bei mir ja auch, manchmal kommt auch zu Hause der Physio durch (Wie sitzt du denn da?).
    Manchmal tauche ich aber auch von der Partnerrolle in die Therapeutenrolle, weil es gewünscht wird. Ist nicht einfach, all seinen Rollen gerecht zu werden. Wünsch dir noch einen schönen Abend. LG Volker

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  2. Es ist schon ein Fortschritt, sich die verschiedenen Rollen bewusst zu machen und wenn das so explizit geschehen kann ("ich gehe jetzt mal in die Rolle des Therapeuten"...) ist die Sprechrollendifferenzierung konkret geworden. Rollen werden aber auch gewechselt, ohne dass es bewusst oder "markiert" wird. Und das kann schon mal Verwirrung stiften... Dir auch nen einen schönen Abend. LG Rolf

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