Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Montag, 6. Juli 2009

Psychotherapie statt Psychopharmaka

Die Frage, ob und inwieweit psychische Störungen organische bzw. genetische Ursachen haben, ist ein weites Feld. Immer wieder finden sich Forschungsergebnisse, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Gene bei welcher Störung eine Rolle spielen. Wenn es also körperliche Aspekte psychischer Störungen gibt, liegt es auch nahe, Medikamente einzusetzen. Die Grundsatzfrage dabei ist: was helfen sie wirklich? Können Medikamente psychische Veränderungen bewirken? Werden Psychopharmaka früher oder später die gesamte Psychotherapie beherrschen? Ungewöhnlich und deshalb bemerkenswert ist eine Studie, die zur Abwechslung nach Wirkungen in der anderen Richtung sucht. Verändert Psychotherapie nur die Psyche oder gibt es auch Effekte auf einer physiologischen Ebene?

Zur Erläuterung oder auch zur Erinnerung... vor allem die endogene Depression wird auf Defizite in der Übertragung von Impulsen zwischen den Nervenzellen zurückgeführt. Das Bild vom "Erschöpfungszustand des Gehirns" bezeichnet die Schwierigkeit, neue Verbindungen zwischen Nervenzellen herzustellen, die für die Verarbeitung von Informationen nötig sind. Fehlt es an Botenstoffen, werden die Impulse im Gehirn schlechter weitergeleitet.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde die Wirkung von Psychotherapie auf zellbiologische Marker untersucht. Diese Marker sind Substanzen, die Hinweise auf Art und Ausprägung von Krankheiten geben können. Wer allerdings mit Abkürzungen wie CREB und BDNF - Begriffen aus der Molekulargenetik - nicht vertraut ist, versteht erstmal nur Bahnhof...
Das CREB ist ein Bindungsprotein, mit BDNF ist eine Gruppe von Neurotrophinen gemeint. Es geht hier vereinfacht um Signalstoffe, die Veränderungen zwischen Nervenzellen bewirken. Wichtig ist zunächst, dass diese Substanzen mit Depressionen in Verbindung gebracht werden. Messbare Veränderungen können also ein Hinweis auf die Wirksamkeit der Psychotherapie sein.

In der Studie von Koch et. al. wurden 30 Patienten mit der Diagnose "schwere depressive Episode" (zur diagnotischen Einschätzung benutzten die Autoren die Hamilton-Skala) sechs Wochen lang zweimal wöchentlich psychotherapeutisch behandelt - ohne Medikamente, um den reinen Effekt der Psychotherapie messen zu können. Von den 30 Patienten zeigten 17 eine deutliche Reduktion des Testwerts in der Depressionsskala HAMD. In der Gruppe der Patienten, die auf die Therapie anprachen, ließ sich im bereits nach einer Woche ein Anstieg der Bindungsproteine feststellen, bei den Neurotrophinen zeigte sich kein eindeutiger Effekt. Die Autoren ziehen also den Schluss, dass zellbiologische Marker auf Psychotherapie reagieren - und das auch ohne medikamentöse Behandlung.
Daraus kann man nun nicht den Schluss ziehen, dass auch bei schweren Depressionen Medikamente bald ganz überflüssig werden. Die erzielten Effekte sind deutlich genug, um die Behauptung zu widerlegen, Psychotherapie würde bei schweren Depressionen "ja sowieso nichts bringen". Andererseits sprechen schwer Depressive nicht notwendigerweise auf dieselbe Therapieform an. Wenn sie aber ansprechen, reagiert auch der Körper.

Die Studie macht deutlich, dass Psychotherapie auch auf der physiologischen Ebene wirkt. Es stellt die Vorstellung in Frage, dass dort, wo es physiologische Grundlagen psychischer Störungen gibt, nur eine medikamentöse Behandlung in Frage käme und die reine Psychotherapie unsinnig sei. Sollte die Psychotherapie aber nicht anschlagen oder nicht möglich sein, weil die aktive Mitarbeit des Patienten im Zustand einer schweren Depression nicht möglich ist, wäre der prinzipielle Verzicht auf Medikamente genauso verantwortungslos.
Realistisch und vernünftig ist eben, beides im Auge zu behalten. Dort, wo es sinnvoll ist, weil es um schwerwiegende Probleme geht, Psychopharmaka einzusetzen, sie aber als Ergänzung und nicht als Ersatz für die Psychotherapie zu verstehen.

Quelle: Science Daily
Die Studie im Original:
Koch JM, Hinze-Selch D, Stingele K, Huchzermeier C, Göder R, Seeck-Hirschner M, Aldenhoff JB: Changes in CREB Phosphorylation and BDNF Plasma Levels during Psychotherapy of Depression. Psychother Psychosom 2009;78:187-192

P.S.: Den Überlegungen zu einer evidenzbasierten Therapie schließe ich mich gern an. Salopp formuliert: was "Hand und Fuss" hat, lässt sich früher oder später auch belegen. Für Eltern, die ihr Kind "mit Gefühl trösten" ist das beruhigte Kind dabei wohl Effizienz genug...


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