Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Montag, 19. Oktober 2009

Kompetenztüftler


Eine ganze Weile war ich nicht mehr auf Orbital Alpha gewesen. Es gab dort noch viel zu entdecken... aber so manches schien irgendwie anstrengend zu sein. Also zog ich die gemütliche Variante vor und schlenderte in die Cafeteria. Mal sehen, wen ich dort heute treffen könnte... Es wäre praktisch, wenn man erkennen könnte, wer welche Sprache spricht - schließlich musste man hier oben mit allem rechnen. Nachdem ich mich mit einem lecker duftenden Cappucino versorgt hatte, sah ich einen etwas verzweifelt aussehenden jungen Mann an einem Tisch sitzen, der trotz allem "talkative" wirkte. So, als würde er gerne angesprochen werden. Risiko hin oder her... ein Versuch konnte nicht schaden. "You are in worry, I suppose", begann ich in der Hoffnung, er würde das verstehen. Mit einer Geste lud er mich ein, Platz zu nehmen. "My name is Pot", stellte er sich vor. Das allein fand ich schon bedauernswert. Wie es weiter ging, übersetze ich mal lieber ins Deutsche. Nach einiger Zeit kam die entscheidende Frage zum Vorschein, über die sich Pot den Kopf zerbrach, bei der er buchstäblich nicht zu Potte kam...


Warum kann ich etwas nicht, wenn ich etwas nicht kann?

Auf was für Ideen manche Leute kommen... Okay, dass ich mal darüber nachdenke, warum bestimmte Dinge nicht so einfach sind oder nicht gelingen, das mar mir schon vertraut. Aber in dieser Formulierung war mir die Fragestellung dann doch neu. Und wie das nun mal so ist, die Frage nach dem Warum zeigte sich als schwierig. Drohte, in endlosen Grübeleien zu versinken und das war wohl auch der Grund gewesen, warum er ein geduldig zuhörendes Opfer gesucht hatte. Das "Opfer", namentlich meine Wenigkeit, zeigte allerdings mehr Interesse daran, dem Problem auf den Grund zu gehen. Also, die "lot of reasons", die vielen Gründe, die dazu führen könnten, dass irgend etwas nicht geht, einmal sorgsam abzuklopfen. Außerdem wollte ich selbst einmal eine Frage formulieren, die zum Grübeln anstiften konnte...

Wie bringe ich einen Menschen dazu, etwas nicht zu können?

Pot konnte nicht verstehen, welchen Sinn es haben könnte, eine solche Frage zu stellen. Also lieferte ich ihm auch gleich eine Antwort mit. "Wenn ich dafür sorgen will, dass ein Hundertmeterläufer sein Ziel nicht erreicht, dann stelle ich ihm ein Bein". "Das ist aber unfair", meinte Pot. "Klar", sagte ich, "das ist unfair. Aber es funktioniert." "Leider", seufzte Pot, "gelingt mir so manches auch dann nicht, wenn mir niemand ein Bein stellt". Die Überlegungen zum Thema "wie man sich selbst ein Bein stellt" und das Problemfeld "Stolpern über die eigenen Beine" sowie die Frage "wie man um sich selbst herum geht, wenn man sich selbst im Weg steht", kürze ich lieber ab. Am Ende kamen mir nämlich zu der Überzeugung, dass diese bildhafte Sprache, so anschaulich sie auch war, im wesentlichen doch nicht viel Hilfreiches zutage fördern würde.



Lernen

"Did you learn it?" Mit dieser Frage traf ich am häufigsten ins Schwarze: nachdem ich wissen wollte, was er denn alles nicht könne, zeigte sich an vielen Stellen, dass er so manches eben einfach nicht gelernt hatte. Das war nun wirklich eine handfeste Einsicht - wenn ich etwas nicht kann, dann könnte es daran liegen, dass ich es einfach nicht gelernt habe. Anstatt sich darüber aufzuregen, dass diese oder jener etwas Bestimmtes nicht kann, wäre es dann sinnvoller, eben das zu vermitteln, was da "fehlt". Pot allerdings neigte eher dazu, sich selbst als "zu dumm" zu betrachten. Aber Dummheit und "etwas Bestimmtes nicht gelernt haben" - das sind zwei verschiedene Dinge.

Der Baum und die Angst

So gerne wäre er einmal auf einen hohen Baum geklettert, erzählte mir Pot, aber er konnte es einfach nicht. "Logisch", dachte ich, "schließlich kann man da herunterfallen. Und das... könnte weh tun." Der Weg zur Erkenntnis war nicht weit: Gefühle und Fantasien, die Vorstellung, dass etwas Schlimmes geschehen könnte, das sind mögliche Gründe dafür, warum so manches "nicht geht". Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit, tatsächlich vom Baum zu fallen, lehnte Pot kategorisch ab. Immerhin war er tatsächlich schon einmal heruntergefallen. Seine Befürchtung hatte also eine reale Grundlage... die Frage, wie und warum solche Katatrophenfantasien entstehen, war also zumindest vordergründig leicht zu beantworten. Und dann wurde es tiefsinnig.

Muster und Schemata

Von der Schematherapie hatte Pot nie gehört. Was es mit den EMS und den NESSIES auf sich hatte, wollte ich ihm nicht allzu genau erklären... immerhin konnte er mit dem Gedanken etwas anfangen, dass das Nicht-Können von irgend etwas mit Mustern zusammen hängen kann. Etwa mit der Vorstellung "dazu bin ich sowieso zu doof, also warum sollte ich mich anstrengen?" (Schema: Unzulänglichkeit). Das "Know-How" ist eben eine Form von Muster, eine Abfolge, die beschreibt, wie etwas geht. Übung macht den Meister, ein alter Spruch, der so manches erklärt. Ein gut eingeübtes Muster läuft mehr oder weniger automatisch. Wenn es nützlich ist, okay, wenn es störend ist, kann es ein Grund dafür sein, warum so manches eben nicht funktioniert. "Also kann ich etwas nicht, wenn mir die Übung fehlt, ein Muster fehlt, oder Muster aktiv sind, die einfach stören". So ungefähr fasste Pot seine Überlegungen zusammen und das war mir im Grunde genau genug. Denn aus diesen Einsichten ergab sich eine weitere, noch viel schwierigere Frage:

Wie komme ich da hin, etwas zu können, das ich nicht kann?



Das Lernen allein ist es nicht. Selbst wenn äussere Hindernisse beiseite geräumt sind, bleiben möglicherweise im Innern noch genug Stolpersteine übrig. Gefühle. Gedanken, Bilder, Motive, Lücken, Impulse, die in eine andere Richtung gehen und irgendwie stören. "Loslassen", meinte Pot, "von manchen Dingen muss ich mich einfach lösen, wenn sie mir im Wege stehen. Und morgen... klettere ich auf einen Baum".
Wie es weiter ging, kann ich nicht sagen. Inzwischen war ich aufgewacht, verpürte aber keinerlei Bedürfnis, auf einen Baum zu klettern. Aber irgend etwas könnte ich mir doch vornehmen für heute.




Anmerkungen:
talkative = mitteilsam, gesprächig, mitteilungsbedürftig - es bedeutet aber auch "geschwätzig", ist also nicht unbedingt eine wertneutrale Beschreibung.


...nächste Folge: Anatomie des Ärgers.









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